Ein Leben in tiefster Armut – ohne Zeit, an Morgen zu denken. Denn heute muss erst einmal überstanden werden. Die „Gypsies“, die Roma, in Indien kämpfen jeden Tag um ihr Überleben. Ein Einblick bei den ganz Armen dieses Landes.

Wie ein viereckiger Kasten sehen sie aus. Alle Wände sind gleich hoch und gleich lang. Nur vorne, zur Straße hin, markiert eine billige Stahltür den Eingang, daneben ist ein Fenster eingebaut, mit kleinen Öffnungen. Diese Häuse hat die Regierung vom Bundesstaat Tamil Nadu 2010 für einige „Gypsies“ gebaut, für knapp 1000 Euro pro Stück. Hier sollen die Menschen besser leben, als vorher. Denn damals hausten sie in billigen Hütten, aufgestellt aus Holzstämmen, überspannt mit einer Plastikplane.

Bei uns sind Sinti und Roma ja kaum vorhanden im Straßenbild – höchstens in Südosteuropa. In Indien aber gehören die Menschen irgendwie dazu. Sozial stehen sie aber ganz unten. Dabei entstammen die Roma sogar ursprünglich aus Nordindien, bevor sie dann nach Europa wanderten.

Die Häuser sind eng aneinander gebaut, immerhin haben sie Strom.

Die Häuser sind eng aneinander gebaut, immerhin haben sie Strom.

Eine „Tour zu dem Gypsies“

Der Projektmanager meines Schulprojektes hier in Indien, Anbu, hat mich kurz vor meiner Abreise nochmal mit genommen, auf eine Tour zu den „Gypsies“ hier in der Nähe. Er ist Sozialpädagoge und ist der Überzeugung: „Du bist nur so kurz in Indien, ich muss dir zeigen, wie schlecht es manchen Menschen hier geht.“ Er selbst besucht die „Gypsies“ alle paar Wochen einmal. Er fragt, ob sie dringende Probleme haben und versucht, für sie Geld aufzutreiben.

Zuerst besuchen wir die oben beschriebenen Häuser in der Nähe Chittoor, einer Stadt etwa zehn Kilometer außerhalb von Vellore, wo ich lebe. An einer einsamen Landstraße mit wenig Verkehr hat die Regierung ihnen also einen festen Unterschlupf geboten. Sogar mit Strom. Nur Arbeit gibt es keine. In der Nähe war mal eine Zuckerfabrik, deren Produktion ist aber zurückgefahren worden. Die meisten „Gypsies“ haben daher ungelernte Arbeit. Sie verkaufen beispielsweise Plastikprodukte von ihren Fahrrädern mit Anhänger.

Viele Väter sterben

Und es wird nicht leichter für die Familien. Als wir ankommen und die Kinder total wild darauf sind, sich mit meiner Kamera gegenseitig zu fotografieren – von solcher Technik haben sie zwar gehört, sie aber noch nie selbst in der Hand gehabt – erzählen uns die Mütter, dass etwa 15 Männer der Gruppe in letzter Zeit gestorben sind. Dabei sind sie die Haupternährer der Familien. Jetzt müssen die Frauen ran und die Kinder helfen.

Eine Verbesserung zur Vergangenheit ist aber schon zu beobachten, erklärt mir unser Projektmanager Anbu: Früher hätten die Kinder schon sehr früh mitarbeiten müssen, heute dürften sie zur Schule gehen. Der Staat würde darauf gezielter achten. Und damit steigen natürlich auch die Chancen, später einmal bessere Arbeit zu bekommen, und nicht mehr in winzigen Ein-Zimmer-Hütten hausen zu müssen.

Es geht noch ärmer: Statt Haus eine Hütte

Deutlich traditioneller – und damit noch ärmer – leben die „Gypsies“ ein paar Kilometer weiter in Katpadi. Zwischen Schnellstraße mit lautem Autoverkehr und dem Bahndamm haben sie ihr Lager aufgeschlagen. Hier gibt es die Zelte aus ein paar Baumstämmen, überspannt mit einer Plane. In ihnen leben die rund 40 Menschen der Gruppe. Ein Loch im Boden, umspannt von Plastikplanen ist das Klo. Gekocht wird über offenem Feuer. Die Menschen aus der Gegend bringen ab und zu Reis vorbei.

Solange die Menschen hier Arbeit finden, solange bleiben sie. Wenn nicht, ziehen sie weiter. In eine ungewisse Zukunft.

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