Die Bretter, die die Welt bedeuten sind für die Kinder in dem Ort Kovalam nicht die Bühnen, sondern Surfbretter. Bei meiner ersten Surfstunde neben diesen Kindern lerne ich ein kleines Projekt kennen, das großes leisten will.
Wenn Vicky in die Fußstapfen seines Vater und seines Großvaters getreten wäre, dann wäre sein Arbeitsweg der gleiche, wie heute. Nur die Werkzeuge wären andere gewesen, und vermutlich wäre der 25-Jährige nicht so glücklich, wie er es heute ist. Vickys Vorfahren waren Fischer in Kovalam, einem kleinen Ort südlich von Chennai, dem ehemalige Madras, am Golf von Bengalen.
Doch vor zehn Jahren entdeckte Vicky seine Leidenschaft. Er beobachtete am Strand einen Franzosen, der über die Wellen glitt: Mit seinem Surfbrett. Vicky war begeistert. Er bat den Mann, ihm zu zeigen, wie er das macht. Und lernte so zu surfen.
Surfen mit Fischerleine und Kerzenwachs
Von anderen Ausländern, die an den zahlreichen Surfspots Kovalams vorbeikamen, die damals niemand als Surfspot identifizierte, bekam er sein erstes Surfbrett, das die Reisenden nicht wieder mitnehmen wollten. Vicky musste improvisieren: Mit einer Fischerleine als improvisierten Fußleine und Kerzenwachs statt dem professionellen Surfwachs. Doch es klappte: Er konnte surfen und wurde immer besser. Und wollte das weitergeben.
Seinem Freund Appu brachte er als erstes das Surfen bei. Die beiden fuhren auf Surfwettbewerbe und gewannen Preisgelder. Vor allem aber bekamen sie Kontakte, die sie zu nutzen wussten. Inzwischen wurde Surfen in Indien immer populärer.
Kostenlos Surfen – aber nicht umsonst
Die beiden beschlossen, in Appus Elternhaus eine Surfschule zu gründen. Um Touristen für Geld den Sport beizubringen. Gleichzeitig hatten sie aber eine Vision, sagt Vicky: „Die Kinder in Kovalam sollen auf Surfwettbewerbe fahren und Preisgelder bekommen, damit sie nicht weiter Fischer sein müssen.“ Und so fragten Vicky und Appu ihre Bekannten in der Surfergemeinschaft und trugen langsam immer mehr Surfbretter zusammen. Jeden Samstag können die Kinder aus Kovalam die bei den beiden ausleihen und kostenlosen Surfunterricht bekommen. Dafür helfen sie danach mit, den Müll vom Strand wegzuräumen, der dort seit einer großen Flut im vergangenen Jahr in Massen liegt:
(Die Animation hier funktioniert eventuell nicht korrekt auf Smartphones – ist aber nicht so schlimm)
Am Anfang waren die Eltern der Kinder doch skeptisch: „Sie hatten Angst davor, dass ihren Kindern im Meer was passiert“, sagt Vicky. Und das ist nicht ganz unbegründet. Denn viele der Kinder, die am Meer aufwachsen, können nicht schwimmen. Ganz stolz zeigt Vicky aber auf drei Jungs, die mit ihren Surfbrettern im Meer herumtoben: „Am Anfang sind die nur bis zur Hüfte ins Wasser gegangen, weil sie nicht schwimmen konnten.“ Er hat ihnen nicht nur Schwimmen, sondern auch Surfen beigebracht.
Surflehrer statt Fischer
Vielleicht geht es ihnen eines Tages so, wie Vicky. Der von seiner Dachterrasse das Meer sehen kann – das Meer, von dem er nicht als Fischer leben muss, sondern mit dem er durch seine Leidenschaft Geld verdienen kann.
So, und weil das ein Reiseblog ist, muss natürlich der Reiseteil noch mit rein: Ich stand das erste Mal auf einem Surfbrett. Die Betonung liegt auf: „Stand“. Ja, ich bin gesurft. Fotos gibt’s aber leider keine. Müsst ihr mir jetzt glauben, oder nicht 😉
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