Paani, Biryani, Idly, Samosa – eigentlich könnte dieser Blogeintrag auch über die besten Snacks der indische Küche gehen. Aber nein, es geht um Zugfahren. Das hängt allerdings schon ziemlich mit Essen zusammen. Warum? Dazu gleich mehr.

Zuerst aber mal ein paar allgemeine Infos über die indische Bahn. Denn das Land ist groß, die Entfernungen riesig. Und viele Menschen haben wenig Geld. Flüge gibt es zwar, sind aber verglichen mit den Gehältern wirklich teuer (und ich denke da auch an die 35 Euro-Flüge, die es gibt. Das sind trotzdem 2500 Rupien, der durchschnittliche Tagesverdienst lag 2014 bei 272 Rupien, also knapp unter 4 Euro). Mit dem Zug reisen geht locker für unter 200 Rupien.

Ab durch die Türe - möglich wäre es zumindest in jedem Zug

Ab durch die Türe – möglich wäre es zumindest in jedem Zug

Die indische Bahn transportiert billig und zuverlässig (2014 waren es 8,4 Milliarden Reisende), Verspätungen habe ich bei meinen Bahnfahrten bisher noch gar nicht erlebt, sogar einmal eine „Verfrühung“. Dabei sind die Durchschnittsgeschwindigkeiten mit um die 50 km/h allerdings auch nicht wirklich vergleichbar mit einem ICE. Die Menschen reisen hier aber auch anders. Fast jeder Zug (außer im Nahverkehr) hat Schlafabteile. Die Züge fahren oft mehrere Tage, bis sie ihr Ziel erreichen.

Die Indian Railways gibt es schon seit 1853. Und wer die Bahnfans aus Großbritannien kennt, der weiß, wo die Inder es her haben. 66.000 Kilometer lang ist das Schienennetz, über 7.000 Stationen umfasst es.

Unterwegs im Nachtzug von Chennai nach Madurai

Unterwegs im Nachtzug von Chennai nach Madurai

Schlafen mit 72 Anderen

Dabei war ich erst einmal erschlagen, als ich das erste Mal in einen Zug gesteigen bin. Der langezogene Wagen einer Sleeper Class bietet nämlich Platz für 72 Menschen, und erinnert sehr an einen riesigen Schlafsaal. In einzelnen Abteilen schlafen acht Leute, sie sitzen tagsüber auf Bänken, nachts lassen sich die in Liegen umklappen. Diese Abteile sind aber nicht voneinander abgetrennt.

Bei meiner ersten Reise hatte ich gleich mal Glück und habe eines der oberen Betten bekommen, die sind immer runtergeklappt, man kann also auch tagsüber darauf schlafen. Und vor allem können lange Europäer wie ich da locker auch die Füße raushängen lassen. Bei einer anderen Reise hatte ich ein Bett in Fahrrichtung, das endete in einer Holzverkleidung und war für mich viel zu kurz. Die Nacht dementsprechend auch.

Die Sleeper Class ist günstig, aber nicht billig. In ihr reist die Mittelschicht. Darunter gibt es nur die Second-Class, die billigste. Von Freiwilligen hier liebevoll „Stopfklasse“ genannt.

Über der Sleeper-Klasse sind die klimatisierten Wagons preislich angesiedelt, mit verschiedener Zahl an Sitzplätzen pro Abteil. Achja, und auch Klopapier gibt es in den klimatisierten Bereichen. Soll wohl die westlichen Touristen ansprechen. Jeder Wagen hat vier Klos, drei davon indische Hocktoiletten, eine davon westlich.

Indische Bahnklassen (absteigend):

First class Air-Conditioned
AC 2-tier sleeper
First class
AC 3 Tier
3 E – AC 3 Tier Economy
AC chair Car
Sleeper Class
Second Sitting

Ein Bahnhof in Indien

Ein Bahnhof in Indien. Oft werden die Gleise hier übrigens direkt überquert.

Reservierungen, Warteliste, Notfalltickets

Genauso kompliziert wie das Klassensystem kann sich auch eine Buchung gestalten. Denn Züge sind oft Wochen im Vorraus ausgebucht. Dann gibt es eine Warteliste, und bis zu einem bestimmten Platz, kann man sich fast sicher sein, dass man noch mitkommt. Klappt das nicht, bekommt man eventuell trotzdem noch ein sogenanntes RAC-Ticket (Reservation against Cancellation). Damit darf man auf jeden Fall im Zug mitfahren und bekommt im Idealfall während der Fahrt einen Platz, der nicht besetzt wurde. Ich habe aber auch Geschichten gehört, bei denen sich zwei Menschen eine Liege teilen mussten. Und so breit sind die nicht.

Um das System noch zu verkomplizieren gibt es verschiedenen Quoten, die einem eventuell noch helfen, in einen ausgebuchten Zug reinzukommen. Die Quoten gibt es beispielsweise für Frauen, Parlamentarier, Soldaten – oder für Touristen. Im allergrößten Notfall (oder bei zu viel Spontanität) gibt es noch die Notfalltickets („Taktal“) am Vortag ab 11 Uhr zu kaufen (oder man könnte die reservierungsfreie Second Sitting-Class benutzen, soll für Langstrecken der Horror sein). Diese Tickets kosten ein bisschen mehr, sind schnell weg, können aber helfen.

Ein liebevoller Spruch für mehr Sauberkeit im Zug. Ob's hilft?

Ein liebevoller Spruch für mehr Sauberkeit im Zug. Ob’s hilft?

Leckeres, billiges Essen – im Zug

Sollte man es tatsächlich geschafft haben, ein Ticket zu bekommen (okay, es klingt schwerer, als es ist 😉 ), so kann man im Zug wirklich leckeres Essen genießen. Wie eingangs beschrieben bieten die da eine riesige Bandbreite an, ja sogar vorbestellen kann man die Hauptmahlzeiten und bekommt sie an den Platz geliefert. Die Preise sind sehr günstig (Wasser für 20 Cent, eine Mahlzeit für 50 Cent) und gesetzlich festgelegt [PDF]. Die Rufe „Biryani, Biryani, Lunch, Lunch“ habe ich immer noch im Kopf. Gefühlt alle 30 Sekunden läuft ein Bahnmitarbeiter durch den Wagon und bietet gekühlte Getränke an, Chai, Kaffee oder Snacks. An Bahnhöfen kommen dazu noch fliegende Händler, die meist frisches Gemüse oder billiges Wasser anbieten.

Der Bahnhof in Hyderabad

Der Bahnhof in Hyderabad

Und ab und an ertönt ein lautes Klatschen durch den Waggon. Das heißt: Die Zug-Transen kommen. Wieder eine sehr indische Sache. Diese Menschen mit einem dritten Geschlecht, Hijra genannt, leben in ihren eigenen Gemeinschaften. Sie haben eine eigene Schutzgöttin, und sollen in ihrem Namen Segnen und Verfluchen können. Und so verdienen sie ihren Lebensunterhalt. Sie gehen durch die Straßen, besuchen Geschäfte, oder laufen durch Züge, wo die Leute ihnen Geld geben sollen – und dafür gesegnet werden. Manchmal gibt es dann tatsächlich lange Diskussionen, wenn ein Inder schon bei einem anderen Transsexuellen bezahlt hat.

Zugfahren in Indien – ein Erlebnis. Aber vor allem entspannter, als ich mir es vorgestellt habe.

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