Die größte Demokratie der Welt ist gleichzeitig wohl auch die größte Bürokratie der Welt. Selbst als Deutscher verzweifele ich hier manchmal. Und das in allen Lebenslagen.
Und da dachte ich, ich hätte die indische Bürokratie schon in ihrer ganzen Breite kennengelernt. Am Flughafen etwa, wo mir die Einreise verweigert wurde. Ich konnte meine Zieladresse nicht auf das Einreiseformular schreiben, weil ich vergessen hatte, sie auszudrucken. Bei meinem Visumsantrag hatte ich sie aber schon Mal angegeben. Die Frau am Einreiseschalter hatte darauf aber keinen Zugriff. Und so lernte ich bereits nach 30 Minuten auf indischem Boden den Immigration Officer am Flughafen von Chennai kennen. Der konnte auf meinen Visumsantrag zugreifen. Und ich durfe rein. Puh.
Irritiert haben mich anfangs auch die riesigen Bücher, die mir an Hotelrezeptionen vorgelegt werden. Die Größe erklärt sich aber, wenn man bedenkt, was man dort alles in einer Zeile angeben werden muss. Passnummer, Visumsart und -nummer, Grund der Übernachtung, Adresse und Telefonnummer. Fehlt eigentlich nur noch die Frage nach dem Beruf der Eltern und der Nationalität der Großeltern (die werden fürs Visum wirklich gefragt).
Auch beim Zugticketkauf für Touristentickets muss ein langes Formular ausgefüllt werden. Bei mir hat‘s aber auch schon Mal gereicht, nur etwa 50 Prozent auszufüllen.
Auf einmal schlägt die Bürokratie zu
Jetzt habe ich aber wirkliche Bürokratie erlebt. Dabei wollte ich nur ein Paket verschicken. Man hatte mir vorher schon erklärt, das müsse ganz dicht gepackt sein, es dürfe nichts wackeln und die Kanten sollten gut verklebt sein. Ich war also schon ganz gut vorbereitet. Bis ich ins Post Office kam.
Als die Frau am Schalter nach etwa fünf Minuten Warten damit fertig war, Briefe abzuscannen, konnte ich mein Anliegen vortragen. Doch damit gingen die Probleme erst los. Was ich denn in dem Paket drin hätte, so die Frage. Ich wollte ein paar Mitbringsel schon jetzt vorschicken, damit sie in ein paar Wochen nicht wertvollen Platz und teures Gewicht im Fluggepäck wegnehmen. Ich antwortete wahrheitsgemäß (und vielleicht war das der Fehler?!), dass neben Kleidung auch noch Teller und eine Tasse drin seien. „Glass material?“, fragte die Frau am Schalter. Nein, antwortete ich, Porzellan. Das Wort kannte sie aber nicht. Ich meinte daraufhin: „Like glass.“ Das war wieder die falsche Antwort. „Nein, das ist nicht erlaubt“, sagte die Frau.
Mit Tassenbildern aus dem Internet erkläre ich mich
Denn Glas steht auf einer Liste mit verbotenen Materialen, die nicht verschickt werden können. Zusammen mit Pornografie (das ist hier generell verboten), Flüssigkeiten und Waffen. Das sehe ich ein. Glas vielleicht auch noch bedingt. Aber nicht Porzellan. Zumal ich extra alles ausgepolstert habe. Eine Diskussion und eine Erklärung mit der Hilfe von Tassen-Bildern aus dem Internet führten letztlich dazu, dass wir uns einig wurden. Ich durfte die Zollerklärung ausfüllen. Zweimal.
Dann machte ich den nächsten Fehler. Weil ich hier in der Apotheke richtig günstig Tigerbalsam kaufen konnte, wollte ich auch den jetzt schon vorschicken. Im Paket war noch ein bisschen Platz. Bei der Diskussion mit der Frau hatte ich den zwar vergessen, schrieb ihn aber auf das Zollformular. Was denn das sei, fragte sie, als ich wieder bei ihr stand. Ich versuchte, es zu erklären. „Nein, das ist nicht erlaubt“, war wieder die Antwort. Ich ließ mir nochmal die Liste zeigen, und ja: semi-solids waren verboten.
Es bedurfte also einer erneuten Diskussion, bis wir uns darauf einigen konnten, dass ich schriftlich bestätigte, dass diese verbotenen Waren auf meine Verantwortung versendet werden. Das war für mich jetzt nicht so schlimm, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass sie locker durch den deutschen Zoll kommen, wenn sie denn bis dahin kommen.
Dabei müsste die indische Post eigentlich Erfahrung haben, ihren Job zu machen. Bereits seit 1774 existiert das Unternehmen. Die 460.000 Mitarbeiter beliefern nicht nur große Städte, sondern unter anderem auch das höchste Postamt der Welt. Da sollte ein kleines Paket nach Deutschland doch kein Problem sein. Sollte.
Ein paar Blätter und einige Unterschriften später kommt nämlich der nächste böse Blick der Dame am Schalter. Ich sollte jetzt die Zollunterlagen auf das Paket kleben. Klebeband hatten sie im Post Office angeblich keines. Was es aber gab, war eine Bank in einem Vorraum. Dort konnte ich den Zollvermerk mit einem bereitliegenden Tacker auf das Paket tackern. Ganz zufrieden war die Frau am Schalter damit nicht, wollte mich aber nach dreimaliger, erfolgloser Aufforderung nicht mehr zu einem Laden nebenan schicken, um dort Klebeband zu kaufen. Ich hab‘ es nicht ganz eingesehen, zugegebenermaßen. Und tatsächlich: Plötzlich war Paketband im Post Office aufzutreiben, um die Zollerklärung festzukleben.
Dann musste ich nur noch auf alle Seiten des Pakets „Speedpost“ schreiben, meine Sendeadresse und Telefonnummer ergänzen (die ich ja schon zweimal auf die Zollerklärung geschrieben hatte) und der netten Frau mein Geld geben. Ja, es ist noch ein paar Mal hin und her gewandert das Paket. Aber tatsächlich: Jetzt ist das Paket auf dem Weg. Ich bin gespannt.
Aber das Paket ist angekommen
Aber ja. Ich bin immer noch erfreut!