Mein erstes Wochenende in Indien, der erste freie Freitag, weil die Schule geschlossen ist. Für uns geht es hinaus in’s Land. Ich mache erste spirituelle Erfahrungen an einem verrückten Ort.

Es ist kühl – endlich eine Klimaanlage. Die Wänder sind in einer grau-weißen Farbe gestrichen, sie reflektieren wenig Licht. Hell ist nur der Sonnenstrahl, der von der Decke, einer hohen runden Kuppel, nach unten läuft, auf eine Glaskugel. Um sie herum stehen zwölf runde Säulen. Dazwischen sitzen Menschen und konzentrieren sich, auf ihre Probleme, auf das Leben, oder die menschliche Einheit. Denn das ist der Hauptpunkt, um dem es hier geht, in der Inneren Kammer des Matrimandirs im Herzen von Auroville.

Der Ort an der südlichen indischen Ostküste bei Puducherry ist Ende der 1960er Jahre entstanden als alternative, experimentelle Stadt. In ihr sollen alle Nationen der Welt zusammen leben können. Sie arbeiten in der Stadt und bekommen dafür ein Grundeinkommen. Ziel ist eine Welt in Frieden und Harmonie, ohne Materialismus oder Politik.

„Es könnte schlechter sein“

Auch viele Volunteers gibt es hier, wir übernachten bei einem Deutschen: Flo. Er ist 27 und arbeitet noch bis August in Auroville im Botanischen Garten. Ein guter Job für einen studierten Landschaftsarchitekten, nach zwei Jahren im Beruf entschied er sich, nochmal ein Jahr auszusetzen. Gerade laufen seine Bewerbungen für neue Jobs in Deutschland.

Während wir zusammen auf dem Motorrad zu einer Abschiedsparty im Dschungel fahren, frage ich ihn, wie es ihm gefällt – er sagt: „Ich fahre mit dem Motorrad durch Indien – könnte schlechter sein.“ In Auroville haben die meisten Freiwilligen ihren Motorradführerschein gemacht, damit sie schneller auf der weitläufigen Anlage umherkommen.

Ein westlicheres Leben als in unserem Dorf

Verglichen mit dem Leben in unserem Dorf, leben die etwa 2000 Menschen in Auroville sehr westlich.  Grundsätzlich fühle ich mich etwas freier. Das Erlebnis ist einfach besonders.

Die Gründerin von Auroville nannte sich selbst "Die Mutter".

Die Gründerin von Auroville nannte sich selbst „Die Mutter“.

Bei der Gründung 1968 legten sich die Auroviller eine Grundsatzcharta auf:

1. Auroville gehört niemandem im besonderen. Auroville gehört der ganzen Menschheit. Aber um in Auroville zu leben, muß man bereit sein, dem Göttlichen Bewußtsein zu dienen.

2. Auroville wird ein Ort ständiger Lernbereitschaft und ständigen Fortschritts sein und auf diese Weise der Schauplatz eines Lebens, das seine Jugend bewahrt.

3. Auroville möchte eine Brücke sein zwischen Vergangenheit und Zukunft. Indem es sich alle äußeren wie inneren Entdeckungen zunutze macht, wird es sich mutig zu künftigen Verwirklichungen hin entwickeln.

4. Auroville wird ein Platz spiritueller und materieller Forschung sein, damit eine wirk­liche menschliche Einheit lebendige Gestalt annehmen kann.

Wie sehr diese Suche nach Bewusstsein und der menschlichen Einheit das Leben bestimmt, zeigt sich im Matrimandir. Dort, im Zentrum der Stadt, steht das goldene Gebäude. Ringsherum sind zwölf Meditationsräume. In denen wird, wie der Name sagt, meditiert. In der inneren Kammer wird sich konzentriert, auch wenn mir der Unterschied nicht ganz klar ist.

Dafür verstehe ich bereits nach zehn Minuten die Faszination meiner Mitbewohnerin, die mir an unserem Küchentisch in München sehr von ihrem Besuch in Auroville vorgeschwärmt hat. Ich werde nochmal zurückkommen in meiner restlichen Zeit, das ist sicher.

An diesem ersten Wochenende war ich aber nochmehr unterwegs. Von meinen ersten Schritten im Pazifik (okay, es war die Bay of Bengal), berichte ich im nächsten Eintrag.

Credits für das Titelbild (Kameras waren verboten): Santosh Namby Chandran auf der englischen Wikipedia [unter Lizenz: CC BY-SA 2.5], via Wikimedia Commons

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