Strom an, Strom aus – an manchen Tagen wirkt es fast schon wie ein Spiel. Dabei stecken hinter den ständigen Stromausfällen in Indien wirklich tiefergehende Probleme.

Es ist jedes Mal ein komisches Gefühl. Wenn mein Körper mich morgens langsam aufwachen lässt, ohne dass draußen ein lautes Geräusch gewesen wäre, das mich hochschrecken ließe. Es ist fast so, als wäre ich ausgeschlafen. Aber das bin ich nicht. Denn der Blick auf die Uhr zeigt: 6 Uhr 30.

Einen Moment wundere ich mich, wieso ich um diese Zeit schon wach bin – dann fällt mir auf, was fehlt: Das Rauschen des Ventilators über mir. Es ist wieder einmal ein Stromausfall. Und mein Körper ist so heiß gelaufen, dass ich aufgewacht bin. Das ist hier keine Seltenheit.

Fast täglich gibt es hier einen oder eher mehrere Stromausfälle. Eine Regelmäßigkeit konnte ich bisher nicht entdeckten. Mal fiel den Strom nachts um 4 aus, mal in der größten Mittagshitze, mal abends um 21 Uhr.

Und jedes Mal durchfährt mich ein kleines Gefühl der Enttäuschung, wenn das Licht ausgeht, und die Ventilatoren ihren Antrieb verlieren und sich langsam ausdrehen.

Immer wieder Ärger mit dem Strom

Der Strom ist in Indien ein großes Thema. 2012 gab es hier den größten Stromausfall der Menschheitsgeschichte. 600 Millionen Menschen im Norden in 20 von 29 Bundesstaaten waren betroffen. Zwei Tage lang blieb die Energie weg, Schulen unterrichteten im Dunkeln, Reisende mussten in den Zügen ausharren. Zum Vergleich: Für einen Deutschen fällt der Strom statistisch gesehen etwa 2 Mal pro zehn Jahre aus.

Dabei haben über 70 Millionen Menschen in Indien noch gar keinen Zugang zum Strom. Und schon jetzt ist Indien das Land mit dem drittgrößten Energieverbrauch nach China und den USA. Es macht 16 Prozent des Energieverbrauchs von ganz Asien aus.

Ein Problem sind die alten Leitungen, sie verlaufen auf Holzstangen durch das ganze Land. Immer wieder gibt es da Kurzschlüsse, vor alle, wenn Flüßigkeiten (wie Regen) auf die Leitungen kommen. Einmal im Monat gibt es einen komplett stromfreien Tag in meinem Dorf, da wird an den Leitungen gearbeitet. Normalerweise ist das samstags, es hat aber auch schon Wochentage getroffen.

Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Importieren!

Und auch die Frage nach der Herkunft der Energie ist nicht so ganz klar. Denn Indien gehört zwar zu den Ländern mit einer der höchsten Kohleförderquoten weltweit – trotzdem reicht das nicht. Das Land muss jedes Jahr aus dem Ausland über hundert Millionen Tonnen Kohle zukaufen. Und kann insgesamt damit nur etwa 61 Prozent seines Strombedarfs decken. Außerdem waren 2015 15 Kernkraftwerke in Betrieb, sie tragen recht wenig zum Strommix bei, ebenso Gas. Dazu noch erneuerbare Energien, wie Windräder, Wasserkraftwerke und Biomasseanlagen.

Das Leben trotz Stromausfall

Für die Menschen bedeutet das hier im Sommer vor allem: Wenig bewegen. Wenn der Strom weg ist und sich die Ventilatoren nicht mehr drehen setzt man sich auf den Boden, öffnet Fenster und Türen und hofft auf einen guten Durchzug. An Arbeit ist nicht zu denken.

Und doch schuften draußen auf der Straße Handwerker, Bauarbeiter oder Straßenhändler weiter. Und nein, mehrere Inder haben mir versichert, die haben sich auch nicht daran gewöhnt. Die müssen aber draußen arbeiten, um Geld zu verdienen.

Wie gut haben wir es da, wenn unser größtes Problem ist, dass auch ja alle deutschen Elektrogeräte ausgesteckt sind, damit sie keinen Schlag von einer Spannungsspitze bekommen, wenn der Strom wiederkommt. Und bisher kam er jedes Mal wieder.

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